Waldpädagigik

Der Wald – als dritter Erzieher

„Was man einem Kind beibringt, kann es nicht mehr selbst entdecken. Aber nur das, was es selbst entdeckt, verbessert seine Fähigkeiten, Probleme zu verstehen und zu lösen.“

(Piaget)

Gemeinsames Erleben und Entdecken im Wald

In der Natur können Kinder sich selber erfahren. Sie erfahren sich als mutig, mächtig und stark. Gleichzeitig können sie sich neben einer Eiche als klein erleben. (Reiche, 2020, S. 40-41) Die Kinder setzen sich mit ihrem eigenen Körper, ihren Stärken und Schwächen auseinander. Sie überwinden ihre Ängste. Mit allen Sinnen tauchen sie in das Geschehen ein, hierbei rückt der Wald selbst, mit seiner Stimmung, seinen Farben, Gerüchen, Geräuschen und Tierwelten in den Mittelpunkt. Die Kreativität hat freien Lauf, aus den natürlichen Gegebenheiten der Natur verwandeln sich neue Spielwelten. Aus Ästen werden Kochlöffel, Häuser entstehen, Herausforderungen werden entdeckt, Tiere werden beobachtet, Naturmaterialien werden gesucht und gesammelt. Ein schöner Ausgleich zwischen natürlicher Bewegung und Ruhe findet statt. Für die Kinder entsteht eine neue Möglichkeit sich selbst und ihre Umwelt besser kennenzulernen. (Franz, 2021)

Ein Ort voller Fantasie – Ich tue, Ich kann, Ich bin

Zu Beginn kann die scheinbare Unbegrenztheit auch hemmend auf Kinder wirken. Viele vertraute Dinge die sie zu Hause vorfinden, können im Wald nicht gefunden werden. Unsere Aufgabe ist es, den Kindern diesen Lebensraum näher zu bringen und der Entfremdung von der Natur entgegenzuwirken (Reiche, 2020, S. 41). Im Wald erscheinen  keine Didaktischen-Spiele die einem bestimmten Zweck zugeordnet sind. Dafür gibt es eine Fülle an zweckfreien Materialien, welche eine große Vielfalt an Spiel-Möglichkeiten schaffen. Die Fantasie und die Kreativität können sich in dieser freien Umgebung unbegrenzt entfalten. Ideen werden umgesetzt. Dadurch erfahren sie sich als selbstwirksam und erleben, dass sie selber auf die Welt einwirken können. Dabei begeben sich die Kinder in eine Eigenaktivität und durchleben so Erfahrungsprozesse und Erfolge. Im Spiel werden alle Fähigkeiten eines Kindes genützt. Es wird kommuniziert, wahrgenommen, die Empathie geschult, gedacht, sich bewegt und dabei Freude verspürt. Dabei haben wir im Wald unbegrenztes, ursprüngliches, kostenloses „Spiel-Zeug“. (Franz, 2021, S. 6)

Ein Ort für Forscher*innen und Entdecker*innen

„Es gibt nur zwei Arten, sein Leben zu leben: entweder so, als gäbe es keine Wunder, oder so, als wäre alles ein Wunder.“ – Albert Einstein

Der Wald bietet durch seine Lebendigkeit einen hohen Aufforderungscharakter für große und kleine Entdeckungen. Wohin bringen die Ameisen alle ihre schweren Sachen? Wo wohnen die Vögel? Was fressen Schnecken? Wer wohnt wohl in dieser Höhle? Bei der Erkundung und Erforschung der Antworten werden spannende Gespräche mit den Kindern geführt. Sie können selbst Vermutungen zu den Antworten abgeben und sich austauschen. Oft finden sich richtige Expert*innen unter den Kindern. Gemeinsam wird nach einer kindgerechten Antwort gesucht. (Franz, 2021) Die Waldpädagogik möchte den Kindern wertvolle, intensive Erlebnisse in der Natur ermöglichen. Sie soll Interessen wecken und faszinieren. Es kann der Beginn einer tiefen Verbundenheit sein, und dadurch noch leichter ein ökologischer Umgang erlernt werden. (Reiche, 2020, S. 53-55) Ganz nach dem Zitat: „Man liebt nur was man kennt, und man schützt nur was man liebt.“ (Lorenz)

Ein Platz voller Erfahrungen:

Die Natur bietet mit ihrer natürlichen Beschaffenheit, sowie den verschiedensten Jahreszeiten und Wetterbedingungen eine Fülle an sensomotorischen Erfahrungen – wie sonst kein anderer Ort. Im Schnee oder Matsch stapfen, in Blätterhaufen springen, durch Gras laufen, auf einen Baum klettern, Höhen erklimmen, auf Stämmen balancieren, den Herbstwind oder die Wintersonne spüren. Dazu noch die vielen Gerüche und akustischen Reize, wie das Rascheln der Blätter im Wind oder die verschiedenen Vögel und ihre Gesänge. (Franz, 2021) Durch Wahrnehmungen und Bewegungen erkundet der Mensch seine Welt, es werden Erfahrungen geordnet, Erlebtes verknüpft, Zusammenhänge gebildet und dadurch Lernprozess gestartet. (Veronika Pinter-Theiss, S. 99-103)

Ein Ort voller Begegnungen:

Erlebnisse, die die Kinder im Wald machen, werden auch mit Sozialerfahrungen verbunden. Sie erfahren Anerkennung, tauschen sich aus, unterstützen sich gegenseitig, packen gemeinsamen an und verbringen Zeit miteinander. Mit gemeinsamen Erlebnissen stärken die Beziehungen und das Gruppengefühl gefestigt. Durch das unbegrenzte Material in der Natur kommt es zu keinen Ressourcen-Konflikten und das Besitzdenken wird geschmälert. Auch kann man sich gut ausweichen und es gibt genügend Möglichkeiten die eigene Individualität auszuleben. Die Kinder erleben sich als Individuen, die zusammen kooperieren und eine Gemeinschaft bilden wo jeder seinen Platz hat. (Reiche, 2020)